Dienstag, 31. Januar 2012

True

Endlich gibt es mal jemand zu.

That's BEAUTIFUL!

Eine Sache, an die ich mich in der ganzen Zeit hier nie gewöhnt habe, ist die übertriebene Begeisterungsfähigkeit (oder zumindest die Fähigkeit, begeistert zu tun) der Kiwis, einhergehend mit einer gewissen desinteressierten Oberflächlichkeit. Nehmen wir mal an, wir sind auf einer Party in Harsewinkel oder Buxtehude und werden gefragt, was wir beruflich machen. Wir antworten und werden als Werbetexter mit großer Wahrscheinlichkeit als nächstes kritisch gefragt, was genau wir denn machen. 
In Kiwi-Land hingegen würde das Gespräch vermutlich so verlaufen:
"So what do you do?"
"I'm a copywriter."
(Augen werden weit aufgerissen, die Stimme hebt sich) "REALLY? That's awesome!!!!"
Manchmal habe ich das Gefühl, ich könnte sagen, ich sei Putzfrau, weil ich zu blöd für die Schule war, müsse den Job jetzt aber bald wegen eines ungewollten Kindes, dessen Vater mir nicht bekannt ist, aufgeben und auf Staatskosten leben, was ich aber eigentlich eh viel besser finde – die Reaktion wäre wohl die gleiche. 
Besonders schön ist das Ganze auch in den obligatorischen "Where abouts are you from?"-Gesprächen. Lustige Kiwis sagen dann Sachen wie "Jawohl Frollign!", normale Kiwis finden das natürlich beeeaaauuutiful und waren auf dem Beerfest, kennen Deutschland also wie ihre Westentasche und wollen UNBEDINGT noch mal hin. 
Ähnlich ist das Ganze auch beim Essen. Als ich noch Käse verkauft habe, wurde ich täglich Zeuge, wie Kiwi-Kunden beim Probieren eines profanen Cheddars für 2,99 taten, als habe der Käsegott persönlich nur für sie diese exklusive Kreation erdacht. Ein kleines bisschen freue ich mich nach dem ganzen Awesome-Getue darum auf gutes ostwestfälisches und norddeutsches Genöle: "Schedda? Wat dat denn?"

FU**ING CAR

In Neuseeland ein (gebrauchtes) Auto zu kaufen ist eine heikle Sache. Als wir hergezogen sind, hat man uns alle möglichen Horror-Storys erzählt. Über Leute, die ihr Auto verkaufen, obwohl es noch nicht abbezahlt ist, über Autos, für die Ersatzteile aus Overseas so teuer sind, als seien sie aus Gold und natürlich über Schrottkarren, denen man zu spät ansieht, dass sie ebensolche sind. Wir haben das große Los mit der letzten Option gezogen. Schon nach zwei Monaten war unser für nicht mal allzu schmales Geld erworbene Mazda Hastdunichtgesehen der Ansicht, sich einen Wellnesstag in der Werkstatt gönnen zu wollen. Irgendwas mit dem Kühler, 400 Dollar. Naaaa ja. Ende Dezember dann aber kam es endlich ganz dicke: Öllampe leuchtet, Auto macht merkwürdige Geräusche,  Auto macht so merkwürdige Geräusche, dass wir lieber nicht weiterfahren. Prima. Und das natürlich nicht in der Stadt, vielleicht sogar in der Nähe von zu Hause oder einer Werkstatt, sondern mitten in den Waitakere Ranges. Die sind unter normalen Umständen in erster Linie wunderschön; wenn man mit dem Auto liegenbleibt, sind sie aber vor allem weit draußen. Es dauerte also nicht nur seeeeehr lange, bis endlich der Abschleppwagen da war, sondern kostete auch seeeehr viel Geld, eben diesen zu bezahlen. Im Preis inbegriffen war allerdings der lustige Abschleppwagen-Typ, der mir die ganze Fahrt über erzählt hat, was wir in Neuseeland alles falsch gemacht haben und noch falsch machen werden. Acht Tage Urlaub auf der Südinsel? Da braucht man mindestens drei Wochen! Und den Camper nur für da gemietet? Wenn man den auf die Nordinsel überführt, zahlt man weniger! Wohnen in Glendowie? Viel zu teuer! Arbeiten gehen? Es gibt doch den Beach! Usw. Eine Stunde, etliche gute Ratschläge und 400 Dollar später wusste ich dann zwar alles darüber, wie man in Neuseeland eigentlich leben musste, der Grund für unser Liegenbleiben blieb aber ein Mysterium. Anders als erwartet hat der Abschlepptyp für sein Geld nämlich NUR abgeschleppt und nicht auch mal unter die Motorhaube geguckt. Dafür haben wir dann einen so genannten "Mobile Mechanic" angerufen. Na ja. Streng genommen haben wir zwei davon angerufen. Der erste ist nämlich einfach nicht gekommen. War vermutlich am Beach, des Kiwis natürlicher Lebensraum, wenn die Sonne aus Versehen mal scheint. Beim zweiten Versuch hatten wir dann Glück. Ein kompetent aussehender Mechaniker klopfte am nächsten Morgen pünktlich um 8 an die Tür und brauchte nicht mal drei Minuten, um mich mit mitleidigem Blick darüber zu informieren, dass der Mazda nicht nur einen kaputten Motor hat, sondern auch eine neue Ölpumpe braucht. Jackpot. Nachdem die Werkstatt den halben Tag lang aufopfernd versucht hat, sowohl einen gebrauchten Motor als auch eine Second-Hand-Ölpumpe aufzutreiben, hat mich dann der Chef angerufen und mir feierlich eröffnet: 
"I would love to take your money, but I want to keep New Zealand's reputation of an honest country."
Sehr schön. 

Wir auf der Südinsel

„Auckland is not New Zealand.“ Eine viel gehörte Weisheit, die ich jetzt endlich bestätigen kann. Ende Dezember (jaaaa, ist schon ein bisschen her ... ich war etwas schreibfaul) sind wir, also Uli, Karen und ich in Christchurch gelandet und haben uns einen Wicked Camper abgeholt, um damit über die Südinsel Neuseelands zu fahren. Ich weiß ... passt eigentlich gar nicht zu uns verwöhnten Spießern, aber auch verwöhnte Spießer müssen sparen. Außerdem sind Wicked Camper total lustig angemalt und man kriegt sie einen Tag umsonst, wenn man den Leuten per E-Mail die Geschichte seiner Entjungferung erzählt. (Nein, haben wir nicht gemacht.) Und so sah er aus, der Gute.


Fuhr prima bergab, brauchte erst nach 250 Kilometern eine neue Tankfüllung und bot fast ausreichend Sitz- und Schlafplatz für drei Personen. Immerhin stand aber auf der Heckklappe, dass Männer sind wie Mascara, weil beide beim kleinsten Zeichen von Emotion weglaufen. Wicked. Was im Gegensatz zu sehr viel Coolness leider nicht im Mietpreis inbegriffen war: Bettwäsche. Einen guten Teil unseres ersten Urlaubstages haben wir also damit verbracht, uns billige Schlafsäcke zu kaufen. Wobei das so nicht ganz stimmt. Die meiste Zeit ging für die Parkplatzsuche vor dem Kaufhaus ins Land. Wer hat eigentlich behauptet, die Südinsel sei menschenleer und völlig verlassen? In Christchurch (das übrigens wirklich an einigen Stellen noch deutlich erdbebengebeutelt ist) haben wir vor lauter Leuten kaum einen Fuß vor den anderen bekommen und auf den ach so einsamen Straßen waren mehr Camper unterwegs, als Schafe auf den Wiesen standen. Na gut; war halt auch gerade Hauptreisezeit, wie ich kleinlaut zugeben muss. Was übrigens offenbar in erster Linie bedeutete, dass nicht Neuseeland leer war, sondern Deutschland. Gefühlt jeder zweite Tourist, den wir auf Campingplätzen und Co. getroffen haben, war Deutscher. Und halbwegs vertrauenswürdige Quellen haben behauptet, dass sich im Dezember und Januar 70.000 von uns in Kiwi-Land aufhalten. Eine ganze Kleinstadt. Wer also nach Neuseeland kommen will, um hier Englisch zu lernen und/oder Neuseeländer zu treffen, sollte dies im hiesigen Winter tun. Wettertechnisch macht das eh kaum einen Unterschied. Jedenfalls dann nicht, wenn man so viel Glück hat wie wir und mitten im Südhalbkugel-Sommer im sonnigsten Teil Neuseelands in einen Jahrhundertregen gerät. Fast vier Tage lang haben wir ungelogen keine einzige Regenpause gehabt. Dank Karen, unserer Outdoor-Adventure-Beauftragten, hat uns das aber natürlich nicht davon abgehalten, am dritten Tag drei Stunden mit einem eher offen konstruierten Delivery-Schiff durch die Malborough-Sounds zu fahren und diese anschließend auch noch von oben zu bewundern. „Von oben“ bedeutet übrigens, dass man sich seine Wanderschuhe (habe ich jetzt!) anzieht und einen matschigen Walkway entlang klettert, bis man hoch genug auf einem Berg ist, um ein Foto zu machen. Danach rutscht man wieder runter und fühlt sich sehr, sehr nass, aber gut.
Ein ähnliches Gefühl hatte ich nach unserer Wander-und-Kanufahr-Tour durch den Abel(!)-Tasman-Nationalpark. Diese fand am Morgen des 1. Januars statt – wer mich kennt weiß, dass Wandern und Kanufahren üblicherweise nicht exakt meine Pläne für diesen Tag sind. Dank extremer Zurückhaltung am Vorabend war ich aber in der Lage, den Tag wie folgt zu genießen: Raus aus den Federn um sechs. Vom Campingplatz losfahren um halb acht. Drei Stunden bergauf wandern um neun. Drei Stunden Kanufahren um eins. Tot. Richtig tot. Und das ohne Hangover. Anders als unser allen Klischees entsprechenden Kanu-Guide. Der nämlich war nicht nur blond gelockt und braun gebrannt, sondern hat sich auch beim silversterlichen Nacktbaden im Meer mit einer Qualle angelegt. Die Qualle hat gewonnen, der Kanu-Guide hatte einen roten Bauch. Natürlich war der Bauch des neuseeländischen Traumjobinhabers aber nicht alles, was wir im Nationalpark gesehen und bewundert haben. Denn da ist es mal wirklich schön:



Kleine Baby-Seals sieht (und riecht) man da übrigens auch, aber zu dem Zeitpunkt saß ich noch nicht sicher genug im Kanu, um Fotos zu machen. 
Apropos Baby-Seals ... In Sachen Wildlife gab es ein weiteres Highlight: Wale. Und damit meine ich nicht mich am Strand. Sondern riesige Spermwhales, die man zum Spottpreis von 150 Dollar von einem eigens dafür gebauten Boot fast sehen konnte. Wenn man nicht gerade in die Kotztüte geguckt hat. Das Boot war nämlich nicht nur voller (natürlich in erster Linie deutscher) Touristen, sondern auch ziemlich schaukelig. Aber sowohl die finanzielle Investition als auch das Magengegrummeln haben sich gelohnt. Seit ich denken kann, will ich Wale sehen. Als es dann soweit war, habe ich geheult – und darum keine besseren Fotos als diese hinbekommen: 







Wer aufgepasst hat, sieht übrigens, dass auf dem letzten Bild kein Wal, sondern Delphine zu sehen sind. Die gab's gratis dazu.